logo
HUBER FINE WATCHES & JEWELLERY
< Zurück zur Übersicht
philosophy-orange-icon

news

25. September 2024 | Interview

Manchmal ist ein Schritt zurück ein riesiger Schritt in die Zukunft

Manchmal ist ein Schritt zurück ein riesiger Schritt in die Zukunft
Beat Lüscher ist Inhaber der Designagentur «Die Gestalter» und Dozent an der Schule für Gestaltung in St.Gallen. In beiden Tätigkeitsgebieten nimmt der Vintage-Stil einen grossen Stellenwert ein. Und das eigentlich aus einem sehr einfachen Grund.
Beat Lüscher, die Begriffe «Vintage» und «Retro» bezeichnen im Grundsatz dasselbe, oder?
Beat Lüscher: Ja, das kann man so sehen.
Sie handeln von der Vergangenheit. Wieso ist diese im Bereich Marketing auch in der Gegenwart nicht totzukriegen?
Das ist relativ einfach zu begründen. Nehmen wir die Werbung für das Tourismusgebiet «Zermatt» als Beispiel. Diese ist retro pur. Sie weckt die positiven Erinnerungen an früher, ohne nostalgisch zu wirken. Es wird uns eine schöne heile Welt verkauft, in der es keinen Massentourismus gibt. Retro hat sehr viel mit Werten zu tun. Und damit sind wir bereits voll und ganz beim «Branding» angelangt.
Und zwar? Inwiefern?
Die Geschichte des «Pepsi»-Logos zeigt wunderbar auf, wie sich eine Marke von den eigenen Werten entfernt und dann schliesslich wieder zu ihnen zurück- findet. Der erste Schriftzug 1905 wurde bewusst an jenen von «Coca-Cola» angelehnt. Die Unterschiede waren gerade noch so gross, dass man keinen Prozess riskieren musste – zumindest zu jenen Zeiten. Nach rund 50 Jahren koppelte man sich komplett ab und trat mit einem Logo und einer Farbsprache auf, die aus heutiger Sicht völlig unverständlich ist. Heute ist «Pepsi» wieder sehr nahe am einstigen Kern, strahlt Vertrauen aus und weckt Erinnerungen an die Kindheit. Und damit sollen nun nicht unsere Grosseltern angesprochen werden. Vielmehr zielt man mit den Gefühlen des Geerdetseins auf die jüngere Generation ab.
Es fällt auf, dass gerade Amerika sehr stark auf den Retro-Stil setzt. Womit hängt das zusammen?
Viele Marken aus Amerika erlebten ihren «Siegeszug» nach dem Zweiten Weltkrieg, als praktisch weltweit US-Soldaten stationiert waren und so quasi zu «Markenbotschaftern» von «Pepsi», «Kodak» usw. wurden. Solche Produkte erlangten sehr schnell eine sehr grosse Bekanntheit.
«Kodak» erlebt gerade wieder einen Aufschwung.
Ja, und das, nachdem die Marke 2016 fast komplett verschwunden war. Das sieht man auch beim damaligen Logo – eine Art Verzweiflungstat, ein letztes Aufbäumen – mit dem man sich komplett vom Alten getrennt hat. Nun orientiert man sich praktisch wieder eins zu eins am Ursprung.
Sie unterrichten junge Grafikerinnen und Grafiker. Wie empfänglich sind diese für die «alten Formen»?
Sie finden die Geschichten spannend. Aber sie möchten lieber etwas komplett Neues entwickeln, statt auf dem Alten aufzubauen. Ich persönlich finde Re-Designs höchst spannend und herausfordernd. Man muss sich überlegen, wie man den guten Teil der DNA behält und von welchen Elementen man sich trennt.
Die Marketingbranche orientiert sich also sehr stark an dem, was vor Jahrzehnten kreiert wurde. Hat man damals so vieles richtig gemacht?
Das kann man nicht generell so sagen. Sicherlich ist man früher nicht so radikal vorgegangen wie heute. Man machte Schritt für Schritt und analysierte dann jeweils, ob es die richtige Entscheidung war. Auch beim Wechsel im Management haben wir heute einen höheren Rhythmus zu verbuchen – und das hat sehr oft einen direkten Einfluss auf den Unternehmensauftritt: Ein neuer CEO will signalisieren, dass eine neue Person am Steuer sitzt. Und gegen aussen macht er das nicht selten mit einem neuen Branding.
  • Manchmal ist ein Schritt zurück ein riesiger Schritt in die Zukunft
Kann denn allgemein gesagt werden, in welchen Zeitabständen das Branding angepasst werden sollte?
Ich würde es so machen wie «Nike» und kontinuierlich an der Marke arbeiten. Das macht Sinn. Denn die Konsumenten goutieren keine zu grossen Sprünge. Sehen Sie sich als extremes Beispiel das Logo von «Burger King» an. Gestartet hat das Unternehmen mit einer extrem reduzierten Umsetzung. In der Hälfte der bisherigen Unternehmensgeschichte kam es zu einem kompletten Wechsel: mit Glanzeffekten, einer blauen Farbe und weiteren Elementen, die kein Mensch versteht. Das Ergebnis entspricht nicht einem Anbieter, den man mit genussvollem Essen in Verbindung setzen würde. Nun hat man sich wieder am ursprünglichen Design orientiert – dieses ist fast identisch mit dem Anfangslogo.
Würden Sie sich als Designer trauen, einen solchen Vorschlag zu präsentieren? Es würde doch sofort heissen, dass man da nichts gemacht habe, ausser das Alte etwas umzuwandeln …
Und genau das ist retro (lacht). Aber wissen Sie, hinter «Burger King» steckt eine der grössten Brandingagenturen der Welt. Da hat man als Kunde ein gewisses Grundvertrauen. Und es wird einem auf 47 Präsentationsseiten erklärt, wieso es Back to the Roots sein muss und nichts anderes. Und bei «Burger King» funktioniert es. Das Logo vermittelt einem das Gefühl, die Brötchen würden gleich in der hauseigenen Bäckerei frisch zubereitet. Manchmal ist ein Schritt zurück ein grosser Schritt in die Zukunft.
Und wir alle wissen eigentlich, dass das mit der Bäckerei nicht der Wahrheit entspricht. Wenn ich ein neues Unternehmen gründe, bestücke ich es also am besten mit einem Retro-Logo, das den Eindruck erweckt, die Firma gäbe es schon über 100 Jahre?
Natürlich. Das ist der Kniff. In Barcelona ist mir eine neu gegründete Bäckereikette aufgefallen. Wenn man das Logo anschaut, hat man das Gefühl, die produziere schon seit 120 Jahren.
Hier leuchtet es ein. Wieso aber finden wir auch wieder Gefallen an alten Designs bei Telefonen, Haartrocknern oder Toastern? Geht es auch hier darum, alte Gefühle zu wecken?
Bei der älteren Generation ist das sicher ein Ziel. Aber man will ja auch die junge Generation ansprechen. Und dieser gefallen Produkte aus einer «anderen Welt». Der Toaster ist ein gutes Beispiel: Wer will am Sonntagmorgen den Blick auf ein trostloses, eckiges Design werfen müssen? Viel schöner ist da doch der völlig überteuerte, rot glänzende Toaster mit organischer Form und schönem Brand. In den 1950er- und 1960er-Jahren entstanden sehr viele lustvolle Umsetzungen. Später folgte dann die Reduktion, das Verschwinden der Üppigkeit.
Manchmal ist ein Schritt zurück ein riesiger Schritt in die Zukunft