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01. Juni 2024 | Lifestyle

Im Nostalgie - Trend?

Im Nostalgie - Trend?
Alles wird schnelllebiger. Fortwährend prasseln neue Trends auf uns ein. Statt selbst zu kochen, isst man Fertigprodukte. Für etwas mit Liebe Gekochtes ist selten Zeit. Statt Produkte wiederzuverwerten, kauft man neue. Es ist sowieso günstiger, wenn man die alten wegwirft. «Die Vergleiche sagen viel über die heutige Zeit aus», sagt Hansjörg Roshard, Leiter der Huber Vintage Lounge. «Wir konsumieren die Inhalte der sozialen Medien und tauchen nur für wenige Augenblicke in die verschiedenen Szenen ein. Vom Biwak im Wald über ein Traumtor von Ronaldo zu niedlichen Tierfilmen und so weiter. Alles nur in Sekunden.» Der Blick auf eine Vintage-Uhr, die Haptik, das Ticken und die Tatsache, dass diese kleine Maschine schon seit Jahrzehnten funktioniert, stellt einen enormen Gegenpol zur zunehmend digitalisierten Welt dar, sagt der Uhrenspezialist. «Ein heute neues digitales Gerät – eine Smartwatch, ein Computer oder ein Smartphone – ist morgen alt. Nicht so die Uhr!»
DROGE GESCHWINDIGKEIT
Schnelllebigkeit – ein heutiges Phänomen? Keineswegs. Bereits Johann Wolfgang von Goethe beklagt sich über das Tempo seiner Zeit und schrieb 1825 an seinen Freund, den Komponisten Zelter: «Alles ist jetzt ultra (…) Niemand kennt sich mehr, niemand begreift das Element, worin er schwebt und wirkt. (…) Junge Leute werden (…) im Zeitstrudel fortgerissen; Reichtum und Schnelligkeit ist es, was die Welt bewundert und wonach jeder strebt. Alle möglichen Erleichterungen der Kommunikation sind es, worauf die gebildete Welt ausgeht, sich zu überbieten …» Damals wie heute sehnen sich Menschen nach Qualität, Wertigkeit und Langlebigkeit. Entschleunigung und Halt werden zunehmend wichtig und oftmals in Gegenständen mit Geschichte gefunden. «Alte Arbeitstechniken, Handarbeit, sorgfältig ausgewählte Materialien und eventuell der persönliche Kontakt zum Handwerker oder Unternehmer vermitteln diesen Gegenständen eine andere Wahrnehmung», sagt Hansjörg Roshard. «Die Kunden mögen diese Art von Beziehung.»
Eine Studie im «Journal of Human Research» zeigte 2012 auf, dass Nostalgie tatsächlich ein Gefühl der sozialen Verbundenheit fördert und das Mitgefühl erhöht. Nostalgie ist also kein wiederkehrender Trend, sondern seit jeher ein Muss fürs Wohlbefinden. Gegenstände aus der Vergangenheit vermitteln Vertrautheit und Sicherheit – gerade in unsicheren Zeiten. Auch Hansjörg Roshard ist davon überzeugt. «Die Vintage-Objekte bringen den Betrachter wieder ins Wohnzimmer der Grosseltern und man erinnert sich an die Kindheit.» Gewisse Dinge, die immer am selben Standort waren, würden zudem Ruhe ausstrahlen. «Was seit Jahrzehnten funktioniert, gibt Sicherheit, dass dies auch in Zukunft so sein wird.»
GESCHICHTEN, DIE BLEIBEN
Solche und weitere Gespräche führt Hansjörg Roshard seit November letzten Jahres gerne in der neuen Vintage Lounge von Huber – im dritten Stock der World of Watches – im Städtle in Vaduz. Dort treffen sich Interessierte, Uhren-Enthusiasten und leidenschaftliche Sammler zumGedankenaustausch und Fachsimpeln. Sie verweilen auf Sofas, Barhocker und Fauteuils aus vergangenen Epochen – alles Gegenstände mit Geschichte. Die passende Musik darf natürlich auch nicht fehlen. Eine auserlesene Sammlung an LPs steht bereit und je nachdem, in welcher Epoche die Gedanken gerade schweifen, ertönen Jazzklänge aus dem Vintage-Plattenspieler – oftmals der unverkennbare Oscar Peterson oder Fred Wesley mit seiner eindrücklichen Studio-Live-Session.
Und wenn einer der Besucher eine ausgewählte Vintage-Uhr genauer betrachten und ihre Geschichte dazu erfahren möchte, dann nimmt Hansjörg Roshard die Messingkurbel in die Hand und dreht so lange, bis sich die Vitrine öffnet. Ihn dabei zu beobachten, ist spannend und fast märchenhaft. Denn unvermeidlich denkt man an: «Sesam, öffne dich!» Der Leiter der Vintage Lounge ist selbst ein leidenschaftlicher Sammler von alten Uhren, die er auch gerne trägt. Er konnte in den vergangenen Jahren ein grosses Sortiment an seltenen Uhren für Huber aufbauen. Über 50 sorgsam ausgewählte Klassiker aus verschiedenen Epochen lassen sich in der Vintage Lounge bestaunen – darunter auch besondere Stücke, die nur in geringer Auflage produziert wurden. Echte Raritäten, die nicht mehr hergestellt werden und einzigartig sind.
Deshalb ist Vintage auch so beliebt. Schliesslich leben wir in einem Zeitalter, in dem es in jeder Stadt die gleichen Geschäfte und Produkte gibt. Mit einem Unikat sticht man aus der Masse hervor. Einerseits spiegeln Vintage-Uhren Status und transportieren das Image der jeweiligen Marke. Andererseits sind damit viele Emotionen verbunden. Nicht zuletzt spielt der persönliche Geschmack bei der Auswahl der Uhr eine zentrale Rolle. Das kann auch Hansjörg Roshard bestätigen. Viele sind begeisterte Sammler, «die auf eine bestimmte Marke oder ein Uhrenmodell fixiert sind oder eine dieser Geschichten vervollständigen wollen», erklärt der Vintage-Spezialist. «Deren Fachwissen ist meist gross, und die Gespräche darüber sind hochinteressant. Dabei lerne ich auch selbst immer wieder dazu», ergänzt er.
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VINTAGE ALS LEBENSSTIL
Bei Hansjörg Roshard steckt die Begeisterung für Vintage in den Genen. Oft und gerne hat er als Kind zusammen mit seinem Vater Floh- und Antikmärkte besucht, um seltene Gegenstände ausfindig zu machen. Sein Vater war es auch, der in den 1980er-Jahren begann, mechanische Uhren zu sammeln – in einer Zeit, in der die Uhrenindustrie mit elektronischen Uhren geschwemmt wurde. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, ist Hansjörg Roshard auch heute noch auf Floh- und Antikmärkten anzutreffen. Sogenannte Schnäppchen bei Uhren wie sie dort noch sein Vater vorfand, sind mittlerweile selten. «Das Suchen und Finden von anderen Gegenständen wie Ersatzteile für alte Möbel ist aber heute noch spannend», erzählt er. Für Hansjörg Roshard ist Vintage ein Lebensstil: Er lebt mit seiner Familie in einem Gewerbehaus aus dem Jahr 1959. «Viele Einbauten und Einrichtungsgegenstände sind original und «versprühen den Charme der damaligen Zeit», erzählt er. «Fast alle Möbel stammen aus vergangenen Jahrzehnten und wurden von uns entweder gebraucht gekauft, oder es sind Designklassiker, die heute noch produziert werden.»
Der leidenschaftliche Uhrenspezialist trägt auch gerne Kleidung aus vergangenen Epochen. «Der Tragekomfort steht für mich aber an oberster Stelle», sagt er und lächelt. Der Vintage-Modestil passt zu ihm – zeitlos elegant – meist Hemd, Gilet, Hose und passende Schuhe. Hansjörg Roshard punktet aber nicht nur mit Vintage-Kleidung, sondern vor allem durch sein grosses Fachwissen über alte Uhren. Man könnte ihm stundenlang zuhören, wenn er Anekdoten und Geschichten über seltene Stücke erzählt – unter anderem wer sie getragen hat und wie die Uhr den Weg zu Huber fand. Deren Herkunft ist klar nachverfolgbar und dokumentiert – Transparenz ist eines der Kriterien, die bei Vintage- Uhren besonders wichtig sind.
Im Nostalgie - Trend?
BAHNBRECHENDE INSPIRATIONEN
Wer in die Geschichten von Vintage-Uhren eintaucht, stellt fasziniert fest, dass diese kleinen Wunderwerke oft bahnbrechend vor hundert oder mehr Jahren waren. Sie stehen für einzigartige Erfindungen – manche tauchten tief in den Ozeanen, andere waren bei der Mondmission dabei. Neben technischen Innovationen spiegeln sie grosse Designrevolutionen – noch flacher, noch robuster und meistzeitlos schön. Die Innovationen der Schweizer Uhrenindustrie sind unvergleichlich. Sie formten eine Branche, deren hohe Qualität in der Welt bekannt ist und von der die Wirtschaft eines Landes seit über hundert Jahren profitiert. Nicht zuletzt sind damit seit jeher viele Arbeitsplätze verbunden. Dazu gehört der traditionelle Beruf des Uhrmachers, den auch Hansjörg Roshard erlernt hat.
Dass die Vintage Lounge gleich neben dem Uhrmacheratelier bei Huber eingerichtet wurde, ist deshalb kein Zufall. «Da gibt es viele Synergien», weiss Hansjörg Roshard, der das Uhrmacher-Team von Huber – bestehend aus sechs Spezialisten – bis vor einem Jahr geleitet hat. Als ausgewiesener Experte prüft er die Vintage-Uhren fachgerecht, erstellt Wertgutachten und kauft ausgewählte Exemplare selbst an. Sollten die mechanischen Uhren zuvor eine Reparatur, Grundüberholung oder Aufarbeitung brauchen, sind sie beim Uhrmacher- Team von Huber in den besten Händen.
Neben historischen Uhren haben auch Vintage Cars ihren Reiz. Deren faszinierende Mechanik und zeitlose Eleganz begeistern. So sind Norman J. Huber und Hansjörg Roshard gerne in ihrer Freizeit mit ihren Fahrzeugen aus vergangenen Jahrzehnten unterwegs. Das Uhren- und Schmuckunternehmen Huber ist darüber hinaus an ausgewählten  historischen Motorsport-Anlässen durch Dario Pergolini präsent. Mit dem Liechtensteiner Renningenieur und Motorsportler sowie Restaurateur von Vintage Cars besteht seit geraumer Zeit eine Partnerschaft. Und Rolex – der Premiumpartner von Huber – ist beim Goodwood Revival aktiv. Das legendäre Autorennen ist die grösste historische Motorsportparty. Goodwood ist ein Herrenhaus in der Grafschaft West Sussex auf einem Grundstück, das mehr als dreimal so gross ist wie Liechtenstein. Bereits 1948 fand dort das erste Rennen statt. Teilnehmen dürfen nur Fahrzeuge, die vor 1966 hergestellt wurden. Der begehrte Rolex Driver of the Meeting Award wird jenem Fahrer verliehen, der während des Wochenendes hart, schnell und unterhaltsam gefahren ist. Mit dabei sind bekannte Piloten aus vergangenen Tagen sowie noch aktive Rennfahrer, die ihr Bestes geben.

BEWÄHRTES ERHALTEN
Vintage bedeutet auch, Vergangenes in die Zukunft zu tragen. Wer in der Vintage Lounge bei Huber den Schriftzug «Watches» oberhalb der Bar sieht, staunt über dessen Geschichte. Baron Eduard von Falz-Fein – bekannt auch als «Quick» – war der erste Rolex-Händler in Liechtenstein. Sein Spitzname leitete sich von seinem gleichnamigen Tourist Office ab. Die Rolex-Krone – das bekannte Signet der renommierten Uhrenmarke – prangte an der Fassade des Commerzhauses, Städtle 11. Neben dem Markenzeichen war der Schriftzug «Watches» angebracht. Als die Zusammenarbeit mit der Uhrenmarke beendet wurde und Baron Eduard von Falz-Fein seinen Souvenirladen in den 1970er-Jahren im benachbarten Gebäude im Städtle 7 neu eröffnete, zügelte auch der Schriftzug «Watches». Dieser wurde an der Nordseite angebracht – etwas abseits des Geschehens im lebendigen Städtle. Huber mietete sich 2020 im Gebäude ein und baute es um. Zudem bemühte man sich um den Schriftzug und liess dessen Neon-Elemente von einem Fachmann überarbeiten und wieder betriebssicher machen. Nun leuchtet der altehrwürdige Schriftzug «Watches» am richtigen Ort – wertgeschätzt und unübersehbar in der Huber Vintage Lounge.